Von Kindheit an habe ich gelernt, nicht zu viel über mich und mein "Elternhaus" preis zu geben.
Warum? Erstens war es nicht wichtig für mich und zweitens nervte es mich nur auf meine Herkunft reduziert zu werden. In der Vergangenheit bin ich damit auch zunächst ganz gut zurecht gekommen. Party machen gegangen bin ich in Köln, wo ich mir meinen Freundeskreis aufbaute, und später auch meinen Mann kennenlernte. Er war zunächst ganz erstaunt, dass er nach Wochen zufällig mal etwas in Richtung meiner Familie erfuhr. In Köln konnte ich ich selbst sein, denn niemand kannte meinen Hintergrund und konnte mich einfach so scheiße oder toll finden. Wir lebten dann ein paar Jahre in Köln, ich arbeitete in Meckenheim und fühlte mich in dieser Inkognito-Welt super. Mit dem Umzug nach Bonn und der neuen Arbeit bekam meine Inkognito-Welt Risse. Bei Partys im Ort wurde ich mit "da kommt die neue Chefin vom Schrottplatz" begrüßt, was ich höflich lachend abnickte, es aber gar nicht so cool fand. Dazu kam die in meinem Blogpost #9 beschriebene - ich nenn es mal - "Persönlichkeitsunterdrückung".
Nun, 10 Jahre und ein Burnout später, habe ich auch dieses Problem beim Coaching am Erdbeerstrunk gefasst und fühlte mich auch gestärkt und bestärkt, aber vergraben zu Hause mit der faulen Erdbeere in Arm namens Depression boten sich natürlich auch wenig Übungsmomente bis vor kurzem.
Samstag morgens, gut gelaunt (Skala 100), traf ich beim Bäcker einen Kunden, der mich höflich fragte, ob er mir eine berufliche Frage stellen dürfe, schließlich sei ich ja privat unterwegs.
'Also Sandrinchen, was hast Du gelernt?',
dachte ich und weil ich keinen Stress hatte und er wirklich nett fragte, war das Thema in 2 Minuten beantwortet und damit durch.
ABER: ICH! hatte die Entscheidung!
Beim Tanz in den Mai sah es schon ganz anders aus. Wir gingen in eine mir unbekannte Kneipe und ich sah sofort mehrere bekannte Gesichter, die ich eigentlich nicht so wirklich gerne sehe... Nicken - lächeln - weitergehen. Bis eine mir unbekannte Frau direkt auf mich zusteuerte und sagte: "Du bist doch die Tochter vom... hab ich gleich erkannt...". 'Sandrinchen, was hast Du in diesem Fall gelernt?'
Ich antwortete freundlich: "Ja, das ist richtig" und gut war es. Naja gut für die Frau, bei mir schaltete sich nämlich schon das Kopfkino an, welches ich aber schnell wieder ausschalten konnte.
So und was hat das Sandrinchen insgesamt gelernt?
Ich habe gelernt, dass diese Art von Feststellung der Person eigentlich nicht immer etwas mit Assoziation von Werten oder Ab- und Zuneigung zu tun hat, sondern dass diese Person einfach nur wissen will, ob ich es auch wirklich bin. Was sie jetzt von mir denkt, nachdem ich kurz und knapp aber freundlich geantwortet hatte, kann mir egal sein und ist es auch.
Und ja - ich bin die Tochter von..., ABER ich bin eine eigenständige Frau und wer mich mag, der mag mich, wer nicht, muss es auch nicht.